Ex-Schachweltmeister Vladimir Kramnik bei der Blitzschach-Weltmeisterschaft 2015 in berlin

Schach Lehrplan für Beginner

Von Anfang an beginnend mit den Grundkenntnissen bis zum soliden Vereinsspieler

Grundlage des Lehrplans:

Der von Roman Vidonyak entworfenen Plan POWERChess.
Roman Vidonyak (Internationaler Meister und FIDE Senior Trainer)
Mit kleinen Änderungen durch Wolfgang Galow

Grundsätzlicher Ansatz (Level 1 bis 4):
Im Gegensatz zu den meisten traditionellen Einführungen in das Schachspiel, wird weitgehend auf Eröffnungs- bzw. Endspieltheorie – das heißt, auf diejenigen Bereiche der Schachlehre, in denen es hauptsächlich auf spezifische und konkrete Wissensaneignung ankommt – verzichtet. Vielmehr wird ein kompetenzorientierter Ansatz verfolgt, der – in den Händen eines kundigen Trainers – auf den progressiven Aufbau des schachlichen Denkens abzielt.

Die Aufgaben drehen sich nahezu vollständig um taktische Motive, Muster und Konzepte, die in jeder Eröffnung, Mittel- oder Endspiel Anwendung finden und auch tatsächlich in den meisten Partien spielentscheidend sind. Bei ihrer schrittweisen Bearbeitung werden die Mustererkennungs-, Zugfindungs- und Berechnungsfähigkeit der Lernenden gezielt geschult.

Die begleitende Vermittlung von konkretem Eröffnungswissen, strategischen Konzepten oder Leitmotiven des positionellen Spiels erfolgt wohldosiert und eher unterschwellig im praktischen Spielbetrieb durch die kompetente Anleitung des Lehrers bzw. des Trainers.

POWERCHESS – Level 1

Inhalt: Schach: Was ist das überhaupt
Voraussetzungen: Freude am Spiel, keine Vorkenntnisse erforderlich

Inhalte und Aufbau

  • das Schachbrett
  • die Figuren, ihre Gangart und ihren relativen Wert
  • die Rochade und die Rochaderegeln
  • die Bauernumwandlung
  • das Schlagen gegnerischer Figuren, inklusive Schlagen im Vorbeigehen („en passant“)
  • elementare Angriffszüge und Verteidigungsmethoden
  • der Angriff auf den König (Schachgebot)
  • Verteidigungsmöglichkeiten gegen das Schachgebot
  • das Schachmatt
  • das Patt

Didaktik und Methodik
Die Theorievermittlung erfolgt in kurzen, praxisnahen Einheiten. Die Übungen aus dem Heft begleiten die haptischen Erfahrungen am Brett. Im Spielbetrieb erproben und festigen die Kinder das Erlernte in einfachen Einführungsspielen und sammeln erste praktische Erfahrungen über den Ablauf einer Schachpartie vom Aufstellen der Figuren bis zum Schachmatt. Dabei lernen sie je nach Interesse und Begabung elementare taktische Muster wie das Grundreihenmatt, Kampftechniken wie das „Treppenmatt“ oder strategische Leitlinien wie die goldenen Eröffnungsregeln kennen.

In pädagogischer Hinsicht wird vom Anfang an auf elementare Fairplay-Regeln wie „berührt-geführt“ sowie auf den respektvollen Umgang miteinander besonders Wert gelegt.

POWERCHESS – Level 2

Inhalt: Einführung in die elementaren taktischen Motive
Voraussetzungen: Freude am Spiel und sichere Beherrschung der Inhalte von Level 1, insbesondere Kenntnis des Schachbretts und der Grundstellung, sichere Beherrschung der Spielregeln und der Gangart der Figuren (inklusive Rochade und „en passant“), Erkennen der Mattsituation.

Inhalte und Aufbau

  • Materialgewinn bzw. -verlust
  • der Doppelangriff mit Dame, Turm, Läufer, Springer bzw. Bauern (die „Gabel“)
  • die Fesselung (bzw. den „Spieß“) über eine Linie, Reihe oder Diagonale
  • der Abzugsangriff
  • diverse elementare Mattmuster (Matt in einem Zug)

Didaktik und Methodik
Die Theorievermittlung und die Bearbeitung der Aufgaben aus dem Übungsheft gewinnt gegenüber dem Level 1 ein wenig an Gewicht. Die spielerische Erprobung und das Sammeln weiterer praktischen Erfahrungen am Brett sind aber noch vorrangig.

Die Mattführung mit Dame und König bzw. mit Turm und König, die Vertiefung von Eröffnungsprinzipien und elementare Grundmuster im Bauernendspiel (wie z. B. die „Quadratregel“) runden je nach Interesse und Begabung den Kurs ab.

Elementare Fairplay-Regeln wie „berührt-geführt“ und der respektvolle Umgang miteinander werden gefestigt. Mit wirklicher „Turnierruhe“ darf jedoch erfahrungsgemäß noch nicht gerechnet werden.

POWERCHESS – Level 3

Inhalt: Die ersten Schachkombinationen
Voraussetzungen: Freude und Interesse am Spiel, Motivation und Lernbereitschaft, gutes Verständnis der Inhalte von Level 2, insbesondere der Doppelangriffe der Fesselung und des Abzugsangriffs.

Inhalte und Aufbau

  • Hin- und Ablenkung
  • Beseitigung der Verteidigung
  • Figurenfang
  • Röntgenangriff
  • Schwache Grundreihe
  • erweiterte Mattmotive (Matt in zwei Zügen)

Didaktik und Methodik

Auf der Grundlage der elementaren taktischen Motive (s. Level 2) werden in diesem Kurs die ersten richtigen Schachkombinationen eingeführt, bei denen der Materialgewinn sich nicht unmittelbar aus der Stellung ergibt, sondern taktisch über geschickte Zugfolgen, teilweise mittels eines vorläufigen Materialopfers erzwungen wird. Die Vermittlung der Theorie erhält ein größeres Gewicht und zunehmende Komplexität. So können die Kinder bei der Bearbeitung der Aufgaben zumindest ansatzweise an methodische Zugfindungsprozesse wie die Reihenfolge der Kandidatenzüge oder die systematische Prüfung aller möglichen Schachgebote in der gegebenen Stellung herangeführt werden.

Die erfolgreiche Anwendung dieser Fertigkeiten in der Spielpraxis (Transfer) erfordert und befördert die schrittweise Verfeinerung des positionellen Gespürs und den Aufbau einer solideren Spielanlage. Die Vermittlung von Kenntnissen der speziellen Eröffnungs- bzw. der Endspieltheorie ist zwar nicht im Fokus des Kurses, aber sie ergibt sich auf natürliche Weise je nach Interesse und Begabung im Spielbetrieb.

Auf diesem Niveau sind das Fairplay und der respektvolle Umgang miteinander in der Regel gut verinnerlicht und selbstverständlich. Eine konzentrierte Vertiefung in das Spielgeschehen wird bei interessierten Kindern zunehmend beobachtbar.

POWERCHESS – Level 4

Inhalt: Einstieg in die Variantenberechnung
Voraussetzungen: Freude und nachhaltiges Interesse am Spiel, Motivation und Lernbereitschaft, Ehrgeiz, Besitz der im Level 3 vermittelten Fertigkeiten des zweizügigen Kombinations- und Opferspiels.

Inhalte und Aufbau

  • Rettung durch Dauerschach
  • Rettung durch die „Patt-Falle“
  • Sieg durch Zugzwang
  • Die Zwickmühle
  • Die Unterbrechung
  • Die Räumung
  • Die Blockade
  • Der Zwischenzug
  • Starke Freibauer
  • Matt in 3 Zügen

Didaktik und Methodik

Die hier vorgestellten Kombinationen und taktischen Ideen zeichnen sich durch eine höhere Komplexität und einen höheren Abstraktionsgrad aus. Sie warten mit Überraschungseffekten, teuflischen Listen, im Detail steckenden Feinheiten und paradoxen Wendungen auf. Darüber hinaus sind sie manchmal nebenlöslich: hier reicht es nämlich nicht mehr, die eine Gewinnvariante zu finden und linear zu verfolgen. Es müssen auch mal Nebenvarianten oder Zugumstellungen berücksichtigt werden. Alle möglichen Antworten des Gegners müssen berücksichtigt werden und oft ist die Lösung nicht hinter einer, sondern hinter zwei oder drei Ecken. Die Opfer sind manchmal gewagter und die Folgen liegen nicht immer auf der Hand. Automatismen des naiven Spiels werden hier durch exakte Variantenberechnung durchbrochen. Aber die Lösungen sind im Ergebnis immer eindeutig und klar.

Die erfolgreiche Vermittlung dieser Inhalte und der Aufbau der entsprechenden Fähigkeit der Variantenberechnung setzen hohe Konzentration und gute analytische Fähigkeiten nicht nur von Seiten des Trainers voraus.

Der Transfer dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Spielpraxis ist eine lebenslange Aufgabe. Auf diesem Kompetenzniveau sind aber auch die Voraussetzungen geschaffen für ein echtes Verständnis der positionellen Finessen hinter dem abgelehnten Damengambit, der Tücken des Panow-Angriffs in der Karo-Kann Verteidigung, der richtigen Behandlung des Mittelspiels in der Abtauschvariante der spanischen Partie etc. etc. Wer hat das Zeug zum Meister?